Wissenswertes zum Thema Epilepsie

Epilepsie – oder besser Epilepsien – sind eine Gruppe von Erkrankungen, bei denen wiederholt sog. epileptische Anfälle auftreten. Diese sind bedingt durch vorübergehende Funktionsstörungen des Gehirns. Es gibt vielfältige Formen epileptischer Anfälle, die sich hinsichtlich ihrer Häufigkeit und Schwere erheblich voneinander unterscheiden.

Bei den meisten Menschen mit Epilepsie ist die Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt. Schwierigkeiten entstehen vielmehr durch Vorurteile und die allgemeine Unkenntnis über das Krankheitsbild. Diese erschwert oft den Einstieg in das Berufsleben sowie den Erhalt des Arbeitsplatzes.

Epileptische Anfälle sehen sehr verschieden aus. Etwa zwei Drittel der Anfälle gehen von einer bestimmten Stelle im Gehirn aus und werden deshalb als fokale Anfälle bezeichnet. Die Anfallssymptome hängen von der Funktion der betroffenen Gehirnregion ab. Es kann dabei zu einem oder mehreren der folgenden Symptome kommen:

  • Veränderungen der Wahrnehmung (komisches aufsteigendes Gefühl in der Magengegend, unbegründetes Angstgefühl, Vertrautheits- oder Fremdheitsgefühl): Auren
  • einseitige Zuckungen des Gesichts, eines Armes oder Beines bei erhaltenem Bewusstsein: fokal-motorische Anfälle
  • Einschränkung des Bewusstseins verbunden mit Verhaltensweisen (Nesteln, Schmatzen, Kaubewegungen), von denen die/der Betroffene nichts weiß: fokal-komplexe Anfälle

Bei rund einem Drittel der Anfälle erfasst die epileptische Aktivität von Beginn an beide Hirnhälften gleichzeitig – was  als generalisierte Anfälle bezeichnet wird. Hierbei können die folgenden Anfallsformen unterschieden werden:

  • Große Krampf- oder Grand Mal-Anfälle sind durch Bewusstlosigkeit, Sturz, Verkrampfung am ganzen Körper, Zuckungen der Arme und Beine und einen nachfolgenden Erschöpfungs- oder Verwirrtheitszustand gekennzeichnet.
  • Absencen äußern sich in einer kurzen Abwesenheit.
  • Myoklonische Anfälle äußern sich in einem leichten Zusammenzucken (wie z.B. beim sich Erschrecken).

Diese in ihrem Wesen sehr unterschiedlichen Anfälle machen eine generelle Aussage, welche Berufe oder welche Tätigkeiten für Menschen mit Epilepsie geeignet sind, unmöglich. Nur eine individuelle Beratung ist hierfür geeignet!

Epilepsien können entstehen durch:

  • unterschiedliche Hirnerkrankungen bzw. -schädigungen, wie z.B. Geburtsschäden, komplizierte Fieberkrämpfe, Hirnhautentzündungen, Hirnverletzungen, Tumore und Schlaganfälle (symptomatische Epilepsien).
  • eine ererbte Anfallsbereitschaft (genetische Prädisposition), wobei in den letzten Jahren die genetische Grundlage einiger Syndrome aufgeklärt werden konnte (idiopathische Epilepsien).
  • ein Zusammenwirken beider Faktoren.

Manchmal kann auch keine definitive Ursache gefunden werden (kryptogene Epilepsien). Je nach Altersgruppe, in der die Neuerkrankung an Epilepsie auftritt, ist die Häufigkeit der Ursachen etwas unterschiedlich.

Weltweit erkranken etwa drei bis fünf Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens an Epilepsie – meistens aber nur vorübergehend. Die Häufigkeit aktiver Epilepsien in Europa wird 2005 von der WHO mit 0,83 Prozent angegeben.

Damit sind genauso viele Menschen an einer Epilepsie erkrankt wie beispielsweise an behandlungsbedürftigem Diabetes. Die jährliche Rate an Neuerkrankungen wird in entwickelten Ländern auf 49 bis 190 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner geschätzt.  Dies entspricht einer Zahl von jährlich zwischen 3.920 und 15.200 Neuerkrankungen in Österreich.

50 Prozent aller Epilepsien manifestieren sich vor dem Erreichen des 10. Lebensjahres, zwei Drittel unter 20 Jahren, dann sinkt das Risiko der Neuerkrankung, bis es ab dem 60. Lebensjahr wieder stark ansteigt.  Die meisten Patientinnen/Patienten mit Epilepsie sind kognitiv normal entwickelt. Diese relativ gute Prognose steht im Gegensatz zur immer noch vorherrschenden Stigmatisierung der Erkrankung.

Bei Epilepsien handelt es sich grundsätzlich um gut behandelbare Krankheiten. Bei einer optimalen medikamentösen Therapie könnten bis zu 70 Prozent der behandelten Patientinnen/Patienten anfallsfrei werden. Für einen Teil der pharmakoresistenten Menschen besteht die Option auf einen epilepsiechirurgischen Eingriff, mit dem in Abhängigkeit von der Art der Epilepsie in bis zu 85 Prozent der Fälle Anfallfsreiheit erreicht werden kann.

Laut Schätzungen der WHO werden 50 Prozent der Betroffenen (in Entwicklungsländern sogar 90 Prozent) nicht optimal behandelt. Nicht nur, dass durch diese Behandlungslücke Anfallskranken und ihren Familien eine bessere Lebensqualität verwehrt wird, entsteht dadurch auch ein großer volkswirtschaftlicher Schaden. Für eine optimale Therapie wird die Behandlung durch eine/n erfahrene/n Epileptologin/Epileptologen Voraussetzung. Diese Neurologinnen/Neurologen bzw. NeuropädiaterInnen sind in Österreich fast ausschließlich in zertifizierten Epilepsie-Ambulanzen/-kliniken tätig.

Aus Unwissenheit und Angst ist Epilepsie auch heute leider noch ein Diskriminierungsgrund. Vorurteile verhindern die Integration Betroffener. Meist leiden Menschen mit Epilepsie und deren Familien mehr unter der sozialen Ausgrenzung als unter der Krankheit selbst. Bei einer Umfrage zur Einstellung der Bevölkerung zu Epilepsie gaben im Jahr 2004 zehn Prozent der Befragten in Österreich an, dass Sie Epilepsie für eine Geisteskrankheit halten und dass Anfallskranke in eine geschlossene Anstalt gehören. Aber auch das Wissen Betroffener über die eigene Krankheit ist oft sehr gering.

Die gibt es – weitgehend unbekannt ist, dass auch viele berühmte Persönlichkeiten an Epilepsie leiden oder litten. Um nur ein paar zu nennen: Albert Einstein, Edgar Allen Poe, Leonardo Da Vinci, Richard Burton, Friedrich Händel, Alexander der Große, Prince und viele mehr.

Menschen mit Epilepsie weisen die gleiche Spannbreite an Intelligenz, Geschicklichkeit und Belastbarkeit auf wie alle anderen Menschen auch. Einschränkungen ergeben sich lediglich durch Symptome während eines Anfalls und gegebenenfalls zusätzliche Erkrankungen. Diese Symptome sind individuell sehr unterschiedlich. Eine individuelle Beratung bzgl. beruflicher Möglichkeiten ist daher absolut notwendig.

Leider ja – Zahlen aus Deutschland belegen dies. Dort leben ca. 270000 Menschen mit Epilepsie im arbeitsfähigen Alter. Viele von ihnen haben ihre Position im Berufsleben gefunden, auch in Führungspositionen. Dennoch ist die Arbeitslosenquote von Menschen mit Epilepsie höher als die durchschnittliche Arbeitslosenrate und sogar deutlich höher als die durchschnittliche Arbeitslosenquote schwerbehinderter Menschen – mit allen damit verbundenen Konsequenzen.

Mehr als zwei Drittel aller Epilepsie-PatientInnen fühlen sich durch Epilepsie in ihrem täglichen Leben beeinträchtigt. Der Anteil der erwerbstätigen EpilepsiepatientInnen beträgt nur 50 bis 70 Prozent der allgemeinen Erwerbstätigenquote. Besonders hoch ist auch der Anteil an FrühpensionistInnen. Der Anteil an unter 40-jährigen FrühpensionistInnenn mit Epilepsie liegt bei 37 Prozent gegenüber 11 Prozent bei allen FrühpensionistInnen.

Eine Befragung in Deutschland von Unternehmen unterschiedlicher Branchen im Sommer 2007 zeigt, dass einerseits das Interesse an diesem Thema sehr groß ist, auf der anderen Seite eine große Unsicherheit aufgrund fehlender Informationen herrscht. Menschen mit Epilepsie haben nicht häufiger Arbeitsunfälle als andere MitarbeiterInnen. Dies gilt für gewerblich-technische Berufe und auch für Berufe im Dienstleistungssektor. Menschen mit Epilepsie fehlen krankheitsbedingt nicht häufiger am Arbeitsplatz als ArbeitnehmerInnen ohne Epilepsie. Dies belegen u.a. Untersuchungen des Chemiekonzerns BASF und des Berufsbildungswerks Bethel zu anfallsbedingten Fehlzeiten und zur Unfallhäufigkeit.

Die professionelle Aufklärung im Unternehmen und aller KollegInnenen ist ein wichtiger Schlüssel für nachhaltige Integration von Menschen mit Epilepsie in der Arbeitswelt.

Die Eignung- bzw. Gefährdungsbeurteilung muss individuell abgeklärt werden. Sie ist im Wesentlichen abhängig von der Anfallsart, der Häufigkeit der Anfälle und ob Auren vorliegen. Grundsätzlich gilt, dass Menschen mit Epilepsie in ihrer beruflichen Eignung für die meisten Berufe nicht beeinträchtigt sind.

Als Grundlage für die Beurteilung dient die Leitlinie “Epilepsie am Arbeitsplatz”.

Nicht jeder Mensch mit Epilepsie hat Anspruch auf einen geschützten Arbeitsplatz. Art der Epilepsie, Verlauf der Anfälle, Häufigkeit und Schwere der Epilepsie bestimmen den Grad der Erwerbsminderung bzw. entscheiden über den geschützten Arbeitsplatz.

Ja – unter besonderen Voraussetzungen: Unter Beachtung des Bundesgesetzes und der Richtlinien der Österreichischen Sektion der Internationalen Liga gegen Epilepsie zur gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (Führerschein-Richtlinien) bei Personen mit epileptischen Anfällen oder anderen anfallsartigen Bewusstseinsstörungen oder -trübungen können auch Menschen mit Epilepsie nach einer bestimmten Zeit der Anfallfsreiheit einen Führerschein erhalten.

Epilepsie kann jeden treffen. Etwa fünf Prozent der Menschen erleiden in ihrem Leben einen epileptischen Anfall. Knapp ein Prozent der Bevölkerung erkrankt im Laufe ihres Lebens an Epilepsie. Statistiken zeigen, dass es wahrscheinlicher ist einem epileptischen Anfall beizuwohnen als einen Herzinfarkt mitzuerleben. Daher sollte jede/r über Erste Hilfe bei epileptischen Anfällen Bescheid wissen.

Erste Hilfe und richtiges Verhalten bei einem epileptischen Anfall